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SCHMETTERLINGSKINDER

nicht viele "normale" Menschen gibt es, die wissen, was ein Schmetterlingskind ist. Und die, die es wissen, sind nicht mehr "normal".

Sie mussten lernen, mit einem Schmerz umzugehen, der kaum zu ertragen ist.

Schmetterlingskinder sind Kinder, die ein viel zu kurzes Leben hatten.                                 

Schmetterlingskinder sind Kinder, deren Eltern kaum Zeit hatten, sie kennenzulernen.

Schmetterlingskinder sind süße kleine Engel, über alles geliebt.

Schmetterlingskinder sind Kinder, die man nie hergeben wollte, und es doch musste.

Schmetterlingskinder sind immer in den Herzen ihrer Eltern, aber von Freunden und Verwandten totgeschwiegen.

Schmetterlingskinder sind erst dann wirklich tot, wenn sie vergessen werden.

Schmetterlingskinder sind Kinder, über die man nicht spricht. Das sagen zumindest andere, die nicht wissen, wovon sie reden.

Ich habe ein Schmetterlingskind.   

           

Im Januar 1998 erfuhr ich, dass ich schwanger war. Erst einmal war es ein großer Schock, denn ich war noch sehr jung und wollte eigentlich kein Kind. Aber dann überwog die Freude bei weitem die Angst vor der Zukunft und ich habe mich auf mein Baby sehr gefreut.

Zwei Wochen später dann der nächste Schock: Es könnte eine Eileiterschwangerschaft sein! Auf den Ultraschall noch nichts zu sehen, aber Schmerzen und leichte Blutungen. Es war nicht sicher, entweder eine Eileiterentzündung und ganz normal schwanger, oder eben das. Ich war total fertig.

Und dann fing ich an, um mein Baby zu kämpfen. Mein Arzt wollte zuerst gleich eine Ausschabung machen, es wäre am besten so. Aber ich wollte mein Kind! Nach langem hin und her entschied sich der Arzt dann, eine Bauchspiegelung zu machen, und nachzusehen, was denn nun los ist. Ich musste in den darauffolgenden 4 Wochen alle 2 Tage zum Arzt, um den HCG-Wert (HCG ist das Hormon, auf das die meisten Schwangerschaftstests reagieren. Mit fortschreitender Schwangerschaft steigt es immer weiter an.) zu bestimmen. Jeden zweiten Tag zu Blutabnahme und sehen, ob der Wert auch tatsächlich so steigt, wie er sollte. Und dann endlich die Erlösung: Auf dem Ultraschall konnte man meinen Kleinen sehen.

Aber damit war die Odysse noch nicht beendet. Immer wieder während der Schwangerschaft hatte ich leichtere Blutungen. Sehr früh bekam ich dann auch Wehen, was ja in der 21. SSW nicht so gut sein soll. Aber mit viel ärztlicher Betreuung und hoffen und bangen hatte ich es dann sogar bis in die 39. SSW geschaft, was mir fast wie ein Wunder vorkam.

Mein Sohn Josef wurde am Mittwoch den 30.09.1998 im Sankt Josefs Klinikum in Regensburg geboren. Um 14:13 Uhr hielt ich damals mein größtes Glück in meinen Armen. Er wog 2820 g und war 48 cm lang. Apgar war 10/10/10. Ein sehr guter Wert, keiner konnte damit rechnen, was nicht einmal 6 Wochen später passiert ist.

Am 09.11.1998, einen Tag bevor Josef 6 Wochen alt werden sollte, war ich beim Kinderarzt. Ganz normale U 3 wie bei jedem anderen Kind auch. Kein Befund, alles war in Ordnung, nur die Hüfte sollte bei der nächsten U-Untersuchung nochmal angesehen werden, nur zur Sicherheit. Passiert  ja öfter, ist aber kein Grund zur Besorgnis. Ich wurde gelobt, dass eine so junge Mutter sich so gut um ihr Kind kümmern kann. Schließlich war ich ja erst 17. Aber alles bekommt man irgendwie schon hin. Ich wollte meinen Kleinen ja unbedingt haben und hatte sehr um ihn gekämpft, da würde ich doch alles tun, damit es ihm gut geht.

Ich bin also nach Hause und hatte noch einen schönen Tag mit meinem Kleinen. Wir sind noch spazieren gegangen, haben gespielt  und was man halt mit einem kleinen Baby so alles macht. Es war ein sehr schöner Tag.

Abends, es war so gegen 22 Uhr, wollte ich dann zu Bett gehen, Josef war schon in seiner Wiege, als ich plötzlich das Gefühl hatte, ich müsste ihn zu mir ins Bett holen. Ich wollte einfach nur kuscheln. Dazu muss ich sagen, dass Josef fast nie (nur zwei mal ausser in dieser Nacht) bei mir geschlafen hat, er schlief dann immer so unruhig, er wollte lieber in sein eigenes Bettchen. Aber an diesem Abend wollte ich ihm nah sein und ihn nah bei mir haben.

Wir legten uns also ins Bett, und schliefen beide auch selig ein. Josef hat die ganze Nacht durchgeschlafen. Das dachte ich zumindest, als ich morgens um 6 wach wurde. Ich hab mich darüber sehr gewundert, weil er ja normalerweise immer 1 bis 2mal in der Nacht Hunger bekommen hat.

Ich hab meinen Sonnenschein auf den Arm genommen. Und dann etwas entdeckt, was ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Er hat nicht mehr gelebt. Alles was ich sehen konnte, war, dass ich ihm nicht mehr helfen musste und auch nicht konnte, denn in seinem Gesicht, in seinem kleinen süssen Gesichtchen, waren bereits Flecken zu sehen. Ich wusste sofort, dass Josef schon länger tot war und blieb einfach mit ihm auf meinem Bett sitzen. Ich hab ihn im Arm gehalten und gewiegt, hab ihm ein Lied vorgesungen. Ich habe mich verhalten, wie wenn er noch leben würde.

Im Nachhinein war das genau richig, so konnte ich wenigstens noch in Ruhe Abschied nehmen. Aber ich habe mir lange deswegen Vorwürfe gemacht. Ich dachte immer, ich hätte zumindest versuchen sollen, ihm zu helfen.

Nach etwa einer halben Stunde ist mir dann erst richtig bewusst geworden, was los ist und ich wurde hysterisch. Ich hab das ganze Haus zusammengeschrien. Jemand hat dann den Rettungsdienst alarmiert, und die Polizei war da und und und. Das weiss ich alles nicht mehr so genau. Ist ziemlich verworren alles in meiner Erinnerung, was von da an bis zur Beerdigung alles passiert ist. Es waren immer irgendwelche Leute um mich herum, obwohl ich eigentlich nur allein sein wollte.

Und sie sagten immerzu Sprüche wie:

"Du bist jung, du kannst noch mehr Kinder bekommen."

"Was willst du denn, jetzt hast du es doch viel leichter ohne dieses Kind"

Der beste Spruch war von der Ex-Frau meines damaligen Freundes (ich habs nur zufällig gehört, als sie mit ihm gesprochen hat):

"Sie hat bekommen, was sie verdient. Das war Gottes gerechte Strafe."

Mittlerweile ist das nun schon ein paar Jahre her, aber immer noch liege ich manchmal wach und weine oder denke einfach darüber nach. Ich stelle mir dann vor, wie es wäre, wenn mein Josef jetzt im Zimmer nebenan läge. Er wäre jetzt sechs Jahre alt. Mein kleines Baby wäre jetzt in der Schule. Und und und...

Solche Gedanken bringen nichts, das weiss ich. Aber es hilft mir, nicht zu vergessen. Denn nur wenn ich vergesse, ist es endgültig.

Und dann muss ich auch an meine beiden Sternenkinder denken, nachdem ich meinen kleinen wunderschönen Jungen verloren habe, musste ich ähnliches noch zweimal erleben. Im Mai 2000 hatte ich in der 13. SSW eine Fehlgeburt, und im Januar 2001 hab ich ein kleines Sonnenscheinchen in der 7. SSW verlieren müssen. Ich fragte mich immer wieder warum ich... Ich wünsche mir sooooo sehr Kinder, kann ich denn keines bekommen, das leben darf? Und auch da waren die Kommentare von vielen "Freunden" nicht gerade schön, es kamen Sachen wie: "Du hast es doch noch gar nicht gespürt, das war ja noch gar nichts Richtiges" Solche Antworten auf schmerzliche Tränen des Verlustes sind nicht gerade hilfreich.

Ich habe mittlerweile zwei Töchter, also weiss ich, dass bei mir alles gut und gesund ist. Aber mein Erstes Kind wird immer Josef bleiben.

So, das war meine Geschichte über mein Schmetterlingskind. Wenn jemandem das
gleiche passiert ist, redet darüber, lasst nicht zu, dass andere darüber entscheiden wie ihr
damit umgeht. Es ist euer Schmerz. Es ist euer Kind. Es ist euer Leben!!!

 

                                                           

 

 

Schon lange habe ich diese Seite nicht mehr überarbeitet, aber jetzt fand ich, es wäre wieder einmal an der Zeit. Heute ist es schon über neun Jahre her, dass ich meinen geliebten kleinen Sohn erst geboren habe, ihn in den Armen halten durfte und ihn nach viel zu kurzer Zeit wieder loslassen musste. Ich durfte nicht erleben, wie er wächst, erst krabbeln und dann laufen lernt, mit mir spricht und alle die vielen Warum-Fragen stellt, die Kinder so stellen. Sein erster Tag im Kindergarten, seinen ersten Schultag, all dies darf und kann ich nicht mehr leben. Gerade dieses Jahr war das hart, denn meine beiden Töchter gehen nun beide in den Kindergarten, und ich musste immer wieder daran denken, dass ich das mit Josef nie erleben werde.

Noch immer raubt mir manchmal der Schmerz fast der Verstand, wenn ich an meinen Josef denke, vor allem aber gerade in dieser Zeit.

In der Zeit vor und nach Josefs Geburtstag, und vor allem in der Zeit um seinen Todestag herum. Beide Daten liegen ja auch nicht sehr weit auseinander, er durfte  ja nicht einmal sechs Wochen alt werden. Und dann steht ja auch mal wieder die Adventszeit und Weihnachten vor der Tür. Die Zeit der Hoffnung. Aber in diesem speziellen Fall habe ich keine Hoffnung mehr, denn egal was passiert, wiedersehen werde ich ihn auf dieser Welt nicht mehr. Und darum bin ich wieder traurig im Moment und ohne Hoffnung.

Dennoch ist Leben in mir und um mich herum. Denn ich habe noch zwei Hoffnungsträger. Meine beiden Töchter sind immer wieder ein Lichtschein im Dunkel für mich. Es ist traurig, dass meine beiden Mäuse einen großen Bruder haben, den sie nie kennenlernen werden, und es leider auch noch nicht verstehen.

Aber die Zeit des Verstehens wird irgendwann kommen. Nur bin ich dann stark genug, ihnen alles zu sagen und werden sie dann wirklich verstehen?

Ich weiss es nicht, aber ich hoffe es.

Hoffnung ist manchmal alles was bleibt.